Die Brautfahrt zu Schweinichen

“Sitzt auf, was Zaum und Sattel kennt;
Ich kann’s nicht länger tragen!
Meint denn der Bolkenhainer dort,
Ich steck’ im Narrenkragen?
Nimmt mir der Bube, grob und keck,
Die Zufuhr vor der Nase weg!

Halloh! Halloh! sitzt auf! Es geht
Gen Bolkenhain, ihr Scharen!
Berennt die Burg, und segt und treibt
Des Junkers Volk zu Paaren!
Und was Euch nur von weitem droht,
Das hauet immer herzhaft tot!

Und während ihr von außen stürmt,
Schleich’ ich mit treuen Knappen
Durch unser Burgverließ Euch nach;
Kein Mensch kann uns ertappen!
Ein tiefgewölbter dunkler Gang
Führt mich bis Bolkenhain entlang.”

Den tiefen Gang gen Bolkenhain
Den hatten einst die Knaben
Der alten Ritter dieser Burg
Zu Trug und List gegraben;
Doch war er lange Zeit versteckt,
Bis Hans von Schweinchen ihn entdeckt.

Gesagt, getan. Die Schar sitzt auf,
Und rüstet sich zur Fehde.
Indessen schleicht der Burgherr still
In dieses Ganges Öde.
Die treuen Kanppen nimmt er mit;
So geht’s bedächtig Schritt vor Schritt.

Und links und rechts, bald hoch, bald tief,
Gings eine halbe Stunde.
Horch auf, da hallt ein Silberton
Wie aus der Engel Munde.
Es stutzt der Ritter und die Schar;
Die Helme lüftete das Haar.

“Fort, fort!” ruft Hans. “Wann bebte je
Ein Mann wor Weiberstimmen?!
Folgt mir beherzt, nicht weit von hier
Sah ich ein Flämmchen glimmen;
Empfehlt dem Himmel Seel’ und Leib,
Und jeder sehe, wo er bleib’!”

Sie kommen an ein eisern’ Tor,
Hans öffnete das Gitter;
Da saß im schimmernden Gemach
Ein Mädchen bei der Zither,
Und schaute her und schaute hin
Und sang wohl Himmelsmelodien.

“Verzeihung! ach Verzeihung” rief
Der Ritter starr und bebend;
“Seid Ihr in diesen Ort verbannt,
Seid tot Ihr oder lebend?”
Doch wie er näher bei ihr stund,
Erkannt er Fräulein Adelgund.

“Ach, trauter Ritter!” ruft erschreckt
Das holde Kind und zittert,
“Wer wies Euch dieses Erdgemach,
So tief und so vergittert?
Drei Jahre weil ich nun schon hier,
Noch kam kein fremder Fuß zu mir.”

“Wie das, wie das? Mein Fräulein, sprecht,
Laßt Euer Unglück hören!”
“Des jungen Herzogs wilde Gier
Stand mir nach Zucht und Ehrer;
Mein Vater hat vor seiner Macht
Mich hier in Sicherheit gebracht.

Doch hab ich nun das Leben satt,
Getrennt von allen Wesen;
Ach, trauter Ritter! helft doch, helft,
Mich von der Qual erlösen;
Sieht mein Vater für mich an,
Er ist führwahr ein biedrer Mann!”

Noch sprach das Fräulein, klirr, da tat
Ein adres Tor sich regen,
Und Ritter Zedlitz trat herein,
Sah, stand - und zog den Degen:
“Zieh, Memme, Mädchenräuber, zieh!
Rasch, sonst durchdohr ich Dich und sie!”

Der Ritter zieht und Schlag auf Schlag
Ertönen Ihre Klingen;
Nichts hilft das Fräulein Angstgeschrei,
Nichts Fleh’n und Händeringen,
Bis endlich Schweinichen ruft: “Halt ein!
Herr Ritter laßt das Hacken sein!

Vernehmt ein Wort und sagt mir eins:
Ihr tatet mir viel Schaden;
Drum ließ ich Euch durch meine Schar
Zu Kampf und Fehde laden;
Indes mein Volk sich oben rührt,
Hab’ ich den Gang hier ausgespürt.

Hier wollt’ ich heimlich einen Paß
In Eure Burg gewinnen;
Da stieß ich auf dies Erdgemach
Und Eure Tochter drinnen;
Niemals war ich an diesem Ort;
Traut Ritter meinem Ritterwort!

Hört an, ich komme zum Vergleich
Von selbst mit Herz und Händen,
Und was noch sonst uns irrt und grollt,
Kann dieses Fräulein enden:
Ja, Ritter Zedlitz, gebt mir sie,
So ist umsonst des Herzogs Müh!”

Lang sinnt Herr Zedlitz hin und her,
Doch endlich spricht er: “Amen!
Sie sei Dein Weib, hier trau’ ich Euch
In Gott des Herren Namen:
Und will der Herzog mir zu Leib
Mein Kind ist Ritter Schweinchens Weib.”

Und alles zog in Jubelklang
Aus dieser tiefen Öde,
Und Schweinchens Knappen trollten ab
Und dachten keiner Fehde;
Und statt des Blutes strömte Wein
Auf Schweinhaus und auf Bolkenhain.

Georg Gustav Fülleborn, Philsosoph, Philolog und Volksschriftsteller, geboren 1769 zu Groß-Glogau, gestorben 1803 zu Breslau

aus: Das Geschlecht derer von Schweinichen, Breslau 1904, Band I, Seite 32ff.

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